Skip to main content
Eine umjubelte Verbeugung

Eine umjubelte Verbeugung

WAZ. Eine Kür für die Ohren: Das erste Wittener Folk-Festival entpuppte sich als großartiges Event zwischen Hauptbahnhof und Bellerslohstraße.

Stefan Stoppok lockte, Lydie Auvray verzauberte die Massen. Veranstalter: "Das hätten wir nie zu träumen gewagt"

"Das ist Musik, die auch Hilde sehr geliebt hat", sagte die Französin Lydie Auvray und spielte ihr Akkordeon auf eine Weise, dass es einer Kur für die Ohren glich: wunderbar. Das Hildegard-Doebner-Gedächtnis-Festival im Bahnhofsquartier am Freitag und Samstag war ein Riesenerfolg. Auch weil "Zugpferd" Stefan Stoppok die Massen lockte.

"Wie lebt es sich denn in Witten", fragte er das Publikum und erinnerte sich selbst: An die alten Tage, als er zu Gast in Witten war, lang ist´s her. Damals gab er die Premiere seines ersten Liedes, glaubte er sich zu erinnern: "Gelbes Pferd, grüner Bär." Der Text, das zeigte die Zugabe, war seitdem ziemlich vergessen.

50 Jahre alt ist Stoppok mittlerweile. Er kokettierte mit seinem Alter, befürchtete nichts mehr als Haarausfall und lieferte väterliche Scherze über Kinder. Er besang humorvoll die "harte Zeit zwischen twen tours und Seniorenpass". Sein Spruch: "Früher war Scheiße, heute ist gut. Aber heute ist gut, dass es ein Früher gab." Herrlich melancholisch, ironisch, zum genauen Zuhören, zum leisen Mitsingen stand er mit seinem Soloprogramm samt Gitarre auf der Bühne.

"Körper, Musik, alles", mag Claudia Esse an Stefan Stoppok. Und reiste extra wegen ihm von Kasseedorf bei Kiel nach Witten an. Ist sie auch textsicher? "Nicht ganz, man wird vergesslich", scherzte die Norddeutsche und hatte Spaß.

"Wir haben das erhofft, aber nicht zu träumen gewagt", jubelte Lieselotte Dannert über das ausverkaufte Fest. Sie war eine von sieben Organisatoren, die das Festival innerhalb eines Jahres auf die Bühne gestellt hatte. "Ich finde das gigantisch", lobte Mitorganisatorin Gisela Ocken das Ergebnis, nicht zu Unrecht. Denn so einen Andrang hatte die Fläche zwischen Hauptbahnhof und Bellerslohstraße noch nicht gesehen. Die Nachbarn schauten neugierig, die Kurzentschlossenen enttäuscht: Nur 800 Leute durften hineingelassen werden. Das sorgte für lange Gesichter, war doch der Platz nicht proppenvoll.

Lilo Dannert erinnerte an die alte Zeit des Folks in Witten, an die "alten Folkies" , wie Stoppok sie nannte. Viele alte Freunde seien gekommen, so Dannert, ebenso viel junges Publikum. Hildegard Doebner hätte ihre Freude habt, waren sich die Organisatoren einig. Sie war in Witten einst Unterstützerin der Folkmusik. Als sie im Januar 2000 71-jährig starb, verebbte die Wittener Szene. Akkordeon-Ass Lydie Auvray holte zum Ende ihres Auftritts Stefan Stoppok auf die Bühne für ein Lied, das extra für Doebner geschrieben wurde: "Da haste, Hilde!" Eine umjubelte Verbeugung vor der großen alten Dame des Wittener Folk.

WAZ-Bericht vom 06.08.2006

  • Erstellt am .
  • Geändert am .
  • Aufrufe: 6854